1968 starteten wir als Jugend- bzw. Nachwuchsstudio des Ostberliner Kabaretts „Die Distel“. Unter Anleitung von Heinz Draehn unternahmen wir die ersten Schritte auf den Brettern, die die Welt bedeuten sollten. Mit Franziska Troegner, Sabine Günther etwas später kamen die schon kabaretterprobten Arno Kiehl und Manfred Schulz hinzu. Ab 1969 zogen wir ins Haus der jungen Talente (HdjT) in die Klosterstraße 70 um. Zu uns gesellten sich dann Ingrid Beichler ( Klavier), Micha Klobe und Lothar Jankowski.
In 17 Programmen und 2 Sonderprogrammen unter Anleitung von Heinz Draehn bzw. Inszenierungen von Helmut Hellmann und Werner Troegner mauserten wir uns zu einem qualitativ guten, vorzeigbaren, piekigen Kabarett. Und weil dem so war, kreierte Fanziska Troegner den Namen REIZZWECKEN für unsere „Truppe“. Kabarettsachverständige bescheinigten uns im Laufe der Zeit, dass wir als einzig ernst zu nehmende Konkurrenz zur „Distel“ anzusehen wären. Es war auch ein Kommen und Gehen von kabarettfreudigen Interessenten in unserer „Mannschaft“. Das Gehen bezog sich mehr auf berufliche Qualifizierung oder, dass Bühnentauglichkeit in allen Belangen Arbeit bedeutet!
Leider verstarben auch einige Mitglieder unseres Kabaretts. Der harte Kern bestand letztlich aus: Petra Thierbach, Doris Mielau, Anjutta Janson, Rainer Karsitz, Micha Klobe, Arno Kiehl, Manfred Schulz und Wolfgang Reichert (Klavier) bzw. Dana Müller (Klavier). Damit die andern zeitweiligen Mitakteure in unserem Kabarett nicht „sauer“ reagieren, sollten sie diese Zeilen lesen und sich nicht erwähnt finden, folgen sie nun: Ingrid Großmann, Felicitas Rösler, Kerstin Barth, Annette Landvogt, Herbert Spiller, Jörg Schänzle, Conrad Geier,Thomas Stein und Henry Fiebig. Textautoren waren: Harry Fiebig, Klaus Lettke, Willi Hampel, Werner Troegner, Thomas Stein und die Reizzwecken.
Wir agierten nicht nur im HdjT auf unserer nudelbrettgroßen Bühne, nein, die gesamte DDR war vor uns nicht sicher! FANGEMEINDEN waren aus: Alt-Döbern und Hoyerswerda, auch etliche Freunde aus dem benachbarten Westberlin. EIN KESSEL BUNTES (1978), BERLINER RUNDFUNK u.a.m. Auch uns überraschte oder erwischte die sogenannte Wende oder Kehre anno 1989. Doch waren wir fix bei der Sache und „stampften“ neue Programme aus dem gesellschaftlichen Boden und es waren keine Jubelprogramme. Wir gastierten in den alten Bundesländern, so in Nürnberg, Fürth, Neuenrade. Ebenfalls in Westberlin für RIAS Berlin in der Sendereihe “Reichlich grenzenlos“ im BKA und in der UFA-Fabrik. Höhepunkte waren zwei Gastspiele in HONG KONG (1990 und 1991) auf Einladung der Deutschen Lufthansa! Einhellig waren die Meinungen zu unseren Auftritten in den westlichen „Gefilden“: dass sie schon lange kein so wirkungsvolles Ensemblekabarett zu Gast hatten. Naja! Aber langsam „trudelten“ auch unsere treuen OSSIS wieder zu unseren Vorstellungen im HdjT ein, nachdem sie sich im Westen den Duft der Freien Sozialen Marktwirtschaft um die Nase wehen ließen.
Wie so vieles, was in der Umbruchzeit ABGEWICKELT wurde, wurde auch das HdjT abgewickelt. Mit zuletzt unser Kabarett, obwohl der damalige Kultursenator Roloff-Mommin zu uns gönnerhaft meinte: So lange er Kultursenator sein wird, brauchten wir keine Bange zu haben, dass wir aus dem Haus müßten. Das war eine Praxislehrstunde erster Güte!! Arno Kiehl verabschiedete sich von der GbR „Reizzwecken“. Einige andere auch. Die Übrigebliebenen MICHA KLOBE, MANFRED SCHULZ und zogen in eine Kneipe in Prenzlauer Berg. Das Programm entsprach nicht mehr dem Niveau der REIZZWECKEN, das Publikum erschien spärlich, der Kneiper machte Pleite und die Kneipe zu, die Rumpfreizzwecken lösten sich auf. Schade eigentlich, aber das war nun mal eine neue unerbittliche Realität. Auch unser Raumausstatter Heinz Dereschkewitz, der sein ganzes Können einsetzte, um unserem kleinen Kabaretttheater ein bestimmtes Flair zu geben, war deprimiert und enttäuscht. Das Jahr 1993 war für uns ein böses Jahr!
Arno Kiehl, 2015